Getrieben in erster Linie von den anhaltenden Niedrigzinsen feierten Aktionäre im Januar und Februar noch neue Rekorde. Die weitere Ausbreitung des Coronavirus bescherte der Börse dann aber eine schwarze Woche und hat schlagartig für ein Umdenken gesorgt.
Plötzlich gelten wieder alte Gesetze an der Börse. Wir sagen Ihnen, wie Sie als Anleger auf die neue Situation richtig reagieren.
Dabei gehen wir auch der Frage nach, ob und inwieweit eine Epidemie die Finanz- und Aktienmärkte ins Ungleichgewicht bringen kann.
Erinnern Sie sich noch an die letzten Tage im Januar? Der deutsche Leitindex Dax erreichte zu dieser Zeit ein neues Rekordhoch.
Die Zentralbanken pumpten viel billiges Geld in den Markt. Investoren gaben dann genau dieses Geld wieder aus, um Aktien zu kaufen.
Nicht zuletzt auch, weil die niedrigen Zinsen lukrative Alternativen von vorneherein verhinderten.
Abseits der Börse sowie der Aktien- und Finanzmärkte war dagegen Ende Januar bereits der Coronavirus das Gesprächsthema Nummer eins. Die globalen Aktien- und Finanzmärkte schienen zu dieser Zeit noch immun gegen das Virus aus China zu sein. Offenbar blendeten die Anleger die negativen Nachrichten und Informationen über das Coronavirus schlichtweg aus. Das Geld musste ja trotzdem irgendwo angelegt werden.
Erst in der letzten Februarwoche änderte sich das Bild auch an der Börse bzw. auf den Aktien- und Finanzmärkten. Die Anleger realisierten auf einmal quasi schlagartig, dass das Coronavirus eine große Gefahr für die gesamte Weltwirtschaft darstellt. Die Ereignisse überschlugen sich förmlich. Analysten, Anlagestrategen und Investoren sprachen hinterher von einer schwarzen Börsenwoche.
Diese Zahlen und Daten erzeugen aktuell an der Börse und auf den entsprechenden Märkten eine stark negative Sogwirkung. Denn diese letzte Woche im Februar erfüllt durchaus alle relevanten Kriterien eines Börsencrashs. In der Regel tritt dieser innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne in Kraft und zieht nahezu alle Aktien mit nach unten. Wie stark ein Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell bzw. eine Unternehmensaktie überhaupt von einem exogenen Schock (in diesem Fall das Coronavirus) betroffen ist, spielt hierbei überhaupt keine Rolle.
Börsen-Experten und Marktkenner zeichnen jetzt ein ganz düsteres Bild. David Bahnsen, Gründer der gleichnamigen Unternehmensgruppe, spricht gegenüber dem Wall Street Journal von einem Blutbad. Es sei ein freier Fall, kommentiert er weiter, bei dem alle nur noch auf den Aufprall warten können. Starökonom Nouriel Roubini prophezeit eine Ausweitung der momentanen Krise. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel spricht er von einem Desaster. Und das habe noch nicht einmal annähernd an Fahrt aufgenommen. Er glaubt, dass im Jahr 2020 die globalen Aktienmärkte um 30 bis 40 Prozent absinken werden.
Das Coronavirus ist im Vergleich zu anderen Epidemien bislang zumindest zwar weniger tödlich, bringt dennoch aber wirtschaftliche Prozesse und Abläufe vorübergehend zum Erliegen. So fehlt es aufgrund von Erkrankungen und Arbeitsverboten an Fabrikarbeiterinnen sowie an LKW-Fahrern. Dadurch stand der Warenverkehr in vielen Landesteilen nahezu komplett still. Die Container stapelten sich an den Häfen und die Lieferkette zwischen Industrie und Geschäften funktionierte nicht mehr. Die Wirtschaft brach zumindest in Teilen zusammen.
Mittlerweile versucht die chinesische Regierung, die Arbeit und die Wirtschaft wieder hochzufahren. Dazu wurde beschlossen, die Produktion in den am wenigsten betroffenen Regionen zu steigern. Die volle Wirtschaftskapazität wird so nicht erreicht, aber die Machthaber in China verhindert auf diese Weise den Totalzusammenbruch der Wirtschaft. Diese Maßnahme birgt aber auch ein großes Risiko. Denn das Virus könnte sich wieder stärker verbreiten.
Hinzu kommt, dass diese Maßnahme nicht ausreicht, um die stark global verwobene Waren- und Leistungsproduktion wieder auf den Stand vor dem Coronavirus zu bringen. Produktionsausfälle und Verzögerungen beeinträchtigen nach wie vor die Wertschöpfungsketten. Bekommt Europa das Coronavirus nicht in den Griff, droht ein ähnliches Schreckensszenario wie in China. Weltweit wäre dann mit etlichen Firmenpleiten und somit auch mit Arbeitsplatzverlusten zu rechnen. Nicht umsonst diskutieren die Europäische Union und auch die Bundesregierung über mögliche Gegenmaßnahmen. So könnte es im Fall der Fälle zum Beispiel ein europäisch koordiniertes Konjunkturpaket geben.
Es geht dabei aber nicht nur um die tatsächlichen Krankheitsfälle an sich. Das Coronavirus verhindert auch auf andere Arten die Ausübung von Tätigkeiten und Arbeit. Beispiel Japan. In dem fernöstlichen Land beschloss die Regierung, aufgrund des Coronavirus alle Schulen im Land für einen Monat zu schließen. Für den Schutz der Schülerinnen und Schüler sicherlich ein lobenswerter Vorgang, für die Wirtschaft allerdings problematisch.
Denn die Eltern können nicht mehr zur Arbeit gehen, da sie ihre Kinder selbst betreuen müssen. Zudem kann bereits ein einziger Verdachtsfall die Arbeit in einem Unternehmen negativ beeinträchtigen. Alle Kollegen müssen untersucht werden, eventuell kommt es zur Quarantäne und die gesamte Produktion läuft nur noch untertourig oder muss sogar für einen bestimmten Zeitraum komplett eingestellt werden.
Dabei ist noch völlig unklar, wie stark und schnell sich das Coronavirus ausbreiten wird. Erreicht die Epidemie auch in Europa respektive in Deutschland ähnliche Ausmaße wie in China, ist die Gefahr einer schweren Rezession allgegenwärtig. Denn die globalen Lieferketten dürfen an nicht einem einzigen Punkt Störungen aufweisen.
Ansonsten können Produkte nur verspätet, in geringeren Stückzahlen oder überhaupt nicht mehr hergestellt werden. Das Coronavirus zeigt deutlich auf, wie verletzlich und sensibel die weltweit vernetzte Wirtschaft eigentlich tatsächlich ist.
In China sind bislang die größten Probleme aufgetreten. Obwohl vergleichsweise weit entfernt, hat das längst Auswirkungen sowohl auf europäische bzw. deutsche als auch auf amerikanische Unternehmen. Stark betroffen sind insbesondere die Autobranche sowie die Chemie- und Pharmaindustrie. Den Unternehmen fehlen Vorprodukte aus China. Diese werden aber benötigt für die Weiterverarbeitung in den Fabriken. Die Commerzbank hat diesbezüglich berechnet, dass bereits ein Produktionsausfall von fünf Prozent in Deutschland den Wachstum zum Stillstand bringt.
Hört man sich unter Anlegern um, glauben nicht viele direkt an ein solches Horrorszenario. Zurecht? Auszuschließen ist ein solch tiefer Fall der Aktienkurse keineswegs. Dafür müssen Sie nur einmal die letzten Jahre Revue passieren lassen. Denn auf was für sicheren Füßen stand eigentlich die rasante Börsenrallye der letzten Jahre? Im Grunde genommen wurde die Rallye zu einem großen Teil durch Liquidität befeuert.
Dadurch war alles eh schon ein sehr fragiles Gebilde. Die Aktienkurse stiegen durch diese Liquidität immer weiter, wodurch auch die Aktien teurer wurden. Demgegenüber gingen im gleichen Zeitraum die Gewinne der Unternehmen immer weiter runter. Aufgrund der Ultra-lockeren Geldpolitik vernachlässigten die Anleger dieses Ungleichgewicht bei ihren Kaufentscheidungen. Damit ignorierten sie jahrelang ein eigentlich simples Börsengesetz.
Der Coronavirus ruft den Investoren und Anlegern dieses jetzt aber wieder nachhaltig in Erinnerung: Die Ertragskraft von Unternehmen wird in den Aktien, die nichts anderes als Anteilsscheine von Unternehmen sind, abgebildet. Besitzt ein Unternehmen demnach aktuell nicht die erforderliche Ertragskraft, sinken auch die Kurse. Selbst dauerhafte Niedrigzinsen können daran eigentlich nichts ändern. Die Historie zeigt hier klar auf, dass viele Unternehmen schon länger mit fallenden Gewinnen zu tun haben.
Primär sind hierfür der Brexit und der Handelskrieg zwischen China und den USA verantwortlich. Dazu passt, dass über 170 Unternehmen, die an der deutschen Börse im Prime Standard gehandelt werden, im Laufe des Jahres 2019 Gewinn- und Umsatzwarnungen ausgesprochen haben. Zur Erinnerung: Das Coronavirus gab es zu dieser Zeit noch gar nicht. Daraus lässt sich schließen, dass die Weltwirtschaft eh schon reichlich geschwächt war, als der Coronavirus ausgebrochen ist.
Noch hoffen viele Börsianer darauf, dass die Notenbanken als rettende Feuerwehren eingreifen. In der Vergangenheit reagierten die Notenbanken vergleichsweise schnell, wenn die Märkte schwächelten. Aber kann man wirklich darauf vertrauen? Das darf auf jeden Fall bezweifelt werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Die angestoßene Geldschwemme kann das Wirtschaftswachstum nur sehr mäßig, wenn nicht sogar nur mickrig, beleben. Zudem bleibt die Inflation niedrig.
Hinzu kommt, dass die Zentralbanken längst nicht mehr die Möglichkeiten früherer Jahre haben. In Europa steht der Leitzins schon länger auf null. In den USA senkte die Notenbank Fed ihren Zins erst vor einigen Monaten auf 1,75 herab. Was bleiben da noch groß für Möglichkeiten? Vielleicht könnte die Europäische Zentralbank (EZB) noch stärker die Einlagezinsen für Banken senken. Möglich wäre es auch, die Anleihekäufe hochzufahren. Wenn überhaupt, sind dies aktuell die einzigen beiden verbliebenen Mittel.
Von diesen Maßnahmen wird das globale Wachstum wahrscheinlich auch nicht nachhaltig profitieren. Weiteres billiges Geld in den Markt zu pumpen, stärkt höchstens die Nachfrage. Aber ein solches Vorgehen kann nicht verhindern, dass weniger eingekauft wird; einmal abgesehen von den Hamsterkäufen aufgrund des Coronavirus. Es kann auch nicht verhindern, dass Unternehmen schließen müssen.
Die Geldpolitik präsentiert sich hier als ein zahnloser Papiertiger. Daher ist es durchaus möglich, dass im Laufe der Coronavirus-Krise die Zinsen noch weiter sinken, dafür aber die Verschuldung zunimmt. Für Sie als Anleger ist dies keine angenehme Situation: immer weiter sinkende Zinsen, eine höhere Verschuldung und dabei ein lediglich schwaches Wachstum.
Die ersten Anleger haben bereits mit Panikverkäufen reagiert. Aber: Für einen Anleger ist Panik niemals ein guter Ratgeber. Gerade als langfristig orientierter Sparer bzw. Anleger sollten Sie nicht voreilig verkaufen. Denn wenn Sie jetzt aussteigen, machen Sie das momentane Minus erst zu Ihrem tatsächlichen Verlust. Diejenigen, die nicht aussteigen, weisen aktuell lediglich auf dem Papier Verluste aus.
Wenn Sie langfristig hohe Renditen erwirtschaften möchten, sollten Sie diese zwischenzeitlichen Verluste (auf dem Papier) akzeptieren. Ein Blick in die Historie macht deutlich, dass Sie davon langfristig profitieren. So hat ein Indexfonds, der den MSCI World (Weltaktienindex) abbildet, zwischen 1975 und 2019 jährlich 8,7 Prozent Rendite erzielt - und das trotz schwerer Krisen wie zum Beispiel der Lehman-Crash im Jahr 2008. Zwischenzeitlich sanken die Kurse dabei um mehr als 30 Prozent. Demgegenüber fällt der aktuelle Kursverfall noch vergleichsweise moderat aus.
Der Kursrücksetzer bietet für Anleger, die via Sparplan investieren, sogar aktuell Vorteile. Denn Fondsanleger kaufen bei niedrigen Kursen in der Regel mehr Anteile als bei hohen Kurswerten. Dadurch können sie günstiger kaufen. Regelmäßig in die gleiche Anzahl von Aktien bzw. Anteilen zu investieren, ist teurer. Dies wird in der Branche als Cost Average Effekt bezeichnet. Profitieren können Sie von diesem Effekt allerdings nur dann, wenn Sie mindestens zehn Jahre dabei bleiben.
Larry Kudlow, der Wirtschaftsberater von Donald Trump, hat kürzlich eine weitere Variante ins Spiel gebracht. Er empfiehlt Anlegern, die momentan niedrigen Kurse für einen Einstieg zu nutzen. Denn das Coronavirus werde sicherlich nicht für alle Zeiten andauern, daher sollten Anleger jetzt intensiv über Aktienkäufe nachdenken. Die Grundidee hat dabei durchaus Potenzial.
Trotzdem aber ist die Variante ausschließlich für hartgesottene Anleger empfehlenswert. Was Sie hierbei brauchen, sind zum einen Nerven wie Drahtseile und zum anderen genug Geldmittel, um Verluste kompensieren zu können. Wie es nämlich mit dem Coronavirus tatsächlich weitergeht und wann der Kursverfall wieder gestoppt werden kann, ist derzeit kaum möglich.
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