Für das Trading sind funktionierende Charttechniken unerlässlich. Während in den USA die Mehrzahl der Anleger und auch die meisten Analysten mit der Point and Figure Charttechnik bestens vertraut sind und die Technik gezielt einsetzen, spielt diese in Europa in weiten Teilen noch eine eher unbedeutende Rolle.
Sie gilt immer noch ein wenig als ein Exot unter den Charttechniken. Einen rationalen Grund kann es hierfür nicht geben, denn die Point and Figure Charttechnik bietet Ihnen ein einfach zu analysierendes Bild und eindeutige Signale.
Genau genommen handelt es sich bei den Point and Figure Charts vornehmlich um eine spezielle Darstellungsform der vergangenen Kursentwicklung. Allerdings vernachlässigt die Technik respektive die Darstellung den Zeitfaktor; es fehlt also die Zeitachse.
Stattdessen konzentriert sich die Point and Figure Charttechnik auf die Kursbewegungen und stellt die Kurswerte an der y-Achse dar. Die x-Achse fungiert dabei lediglich als Orientierungshilfe.
- Bei einem steigenden Kurs werden übereinander X-Zeichen eingetragen.
- Bei einem fallenden Kurs werden untereinander O-Zeichen eingetragen.
Die Grundlage für diese im Rahmen der technischen Analyse genutzten speziellen Darstellungsform für Wertpapiere wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts vom US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten Charles Dow (1851-1902) gelegt, der gleichzeitig Herausgeber des Wall Street Journals war.
Dow begann zu dieser Zeit, die Kursdaten gezielt zu strukturieren und entsprechend abzubilden. Diese Methode nannte er Figuring. Die Methode wurde erstmals in der im Jahr 1898 publizierten Ausarbeitung "The game in Wall Street and how to play it successfully" erwähnt und näher beschrieben.
Der heute genutzte Begriff "Point and Figure Charttechnik" tauchte demgegenüber erstmals in den 1930er Jahren auf. So befassten sich zum Beispiel die Autoren DeVilliers und Taylor in ihrem Werk "On Point and Figure Charting" eingehend mit dieser Thematik.
Die jeweilige Größe des Intervalls wird von der Box (engl.: box size) definiert. Dieser Parameter ist für die Definition der Granularität - also für den Verdichtungsgrad der Daten im dargestellten Zeitraum - verantwortlich. Die Größe der Box lässt sich in der Regel sowohl als absoluter als auch als prozentualer Wert einstellen.
Die Boxgröße ist prägend für das Erscheinungsbild und die Darstellung der Point and Figure Charttechnik. Unterscheiden müssen Sie dabei zwischen einer kurz- und einer langfristigen Betrachtung.
- Wenn Sie lediglich kurzfristige Betrachtungen realisieren möchten, benötigen Sie grundsätzlich kleine Boxgrößen. Bei Wertpapieren entspricht dies zum Beispiel 0,5 Prozent oder weniger des letzten Kurses.
- Geht es demgegenüber um eine langfristige, mehrjährige Betrachtung, hat die Box im klassischen Anwendungsfall eine Größe von beispielsweise 2,0 Prozent.
Im kurzfristigen Bereich spielt es keine Rolle, ob Sie eine absolute oder eine prozentuale Darstellungsform nutzen.
Handelt es sich aber um eine langfristige Betrachtung, greifen die Experten vorzugsweise zu den prozentualen Boxgrößen, da diese die Werte exakter wiedergeben.
Dies ist vergleichbar mit der Situation bei Linien- oder Kerzendiagrammen. Hier stellt die logarithmische Skalierung die weitaus bessere Variante dar, um das Kursgeschehen exakt darzustellen.
Im Rahmen der Betrachtung müssen Sie immer genau darauf achten, wann sich die Bewegungsimpulse der einzelnen Kurse ausreichend erschöpft haben und eine entsprechende Gegenbewegung stattfindet.
Ist dies der Fall, kommt immer eine neue Säule zum Einsatz.
Diesbezüglich wird von einer 1-Box-Umkehr gesprochen, wenn eine minimale Gegenbewegung vorliegt. Dabei muss sich die jeweilige Bewegung um mehr als lediglich eine Box erschöpfen.
Das bedeutet, dass die Bewegung also mindestens bei einer Box in die andere Richtung, also in die Gegenrichtung, laufen muss.
Die Umkehrgröße kann allerdings auch andere ganze Zahlen darstellen. Dabei muss die Umkehr aber immer größer als 1 sein.
Der Trend wird in einem solchen Fall erst dann gebrochen, wenn mehrere Boxen von der Gegenbewegung berührt werden.
Als wichtigste Umkehrgröße in der praktischen Anwendung gilt die Zahl 3. Das weitere Portfolio respektive Instrumentarium rund um die 45-Grad-Trendlinien oder die Kurszielbestimmung der Point and Figure Charttechnik ist explizit auf diese Umkehrgröße ausgerichtet.
Die eingezeichnete 45-Grad-Trendlinie hat eine ganz besondere Aufgabe:
- Durchkreuzt der Kurs einer Aktie die Abwärtstrendlinie nach oben, kommt es zur Einzeichnung einer Aufwärtstrendlinie. Im umgekehrten Fall kommt es zu einer Abwärtsbewegung. Die Trendlinien bleiben stets so lange bestehen, bis sie wieder gebrochen werden.
Bild: 45-Grad-Trendlinien
Allgemeine Wirkung auf die Darstellungsform
Ebenso wie die Boxgröße stellt die Umkehr ein entscheidendes Merkmal im Hinblick auf die Erscheinungsform der Point and Figure Charttechnik dar. Beide Parameter werden auch als Filter bezeichnet. Diese Namensgebung basiert auf gleich zwei Szenarien. Zum einen filtert die Umkehr kleine Gegenbewegungen heraus, zum anderen wird die jeweilige Boxgröße an das tatsächliche Kursgeschehen angepasst.
Dank dieser Filterfunktionen erhalten Sie dann einen kompakt strukturierten und vor allem aussagekräftigen Chart, bei dem Sie die Kontrolle über die avisierte Auflösung der Daten verfügen. In der Branche wird die Boxgröße gerne als ein taktischer Parameter angesehen, mit dem die Auflösungen in kurzfristige, mittelfristige und langfristige eingestuft werden können. Demgegenüber zählt die Umkehr zu den strategischen Parametern.
Dieser besondere Parameter bildet die Grundlage zur Konstruktion und Berechnung des jeweiligen Charts. Als Zeitperioden können sowohl Jahre und Monate als auch Tage, Stunden und Minuten genutzt werden. Für welche Zeitperiode Sie sich entscheiden sollten, ist dabei immer abhängig von Ihrer Intention. So reichen etwa Tagesdaten, wenn es um langfristige Charts geht. Für den gezielten Einsatz beim Trading benötigen Sie zwingend Intraday-Daten.
Hier müssen Sie sich zwischen verschiedenen Algorithmen entscheiden. Die Praxis hat gezeigt, dass sich der sogenannte High-Low Trendfolge Algorithmus als grundsätzlich gute Lösung erweist. Er berücksichtigt bei der Konstruktion auch ein Hoch beziehungsweise ein Tief der Zeitperiode. Dies ist bei anderen Algorithmen – wie der Schlusskurs-Methode - nicht der Fall.
Im Gegensatz zu anderen Techniken gibt es bei der Point and Figure Lösung keine neutralen Charts. Es gibt im Rahmen eines binären Systems in diesem Fall immer nur zwei Möglichkeiten: Entweder ein Wert ist im Verkaufssignal oder eben im Kaufsignal. Dies liegt auch daran, dass nur ein Gegensignal ein bestehendes Signal ablösen kann. Dieses bleibt dann wiederum so lange aktuell, bis erneut ein Gegensignal auftritt.
- Ein Kaufsignal tritt von der Darstellung her immer dann auf, wenn die vorhergehende X-Säule von der aktuellen X-Säule um mindestens ein X überschritten wird.
- Ein Verkaufssignal tritt immer dann auf, wenn die vorhergehende O-Säule die aktuelle O-Säule um mindestens ein O unterschreitet.
Hierbei handelt es sich um ein so bezeichnetes Grundmuster für Kauf- beziehungsweise für Verkaufssignale. Dabei müssen Sie allerdings noch zusätzlich zwischen verschiedenen signalgebenden Formationen unterscheiden. Alle Formationen basieren dabei auf dem zuvor skizzierten Grundmustersystem.
- Grundmustersystem (Doppel-Top oder Doppel-Boden)
- Dreifach-Top
- Dreifach-Boden
- Gespreiztes Dreifach-Top oder gespreizter Dreifach-Boden
- Katapult
- Dreieck / Triangel
Weitere Point and Figure Formationen finden Sie auf der Webseite des VTAD.
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