Führende Ökonomen aus Europa rechnen bei einem Erfolg von Marine Le Pen im Rahmen der Präsidentenwahl in Frankreich übereinstimmend mit einem echten Börsenbeben.
Demnach würde ein Sieg der Vorsitzenden der Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN) wahrscheinlich große Turbulenzen an der Börse und auf den Finanzmärkten auslösen.
Lars Feld, der frühere Chef der Wirtschaftsweisen und jetzige Berater von Bundesfinanzminister Christian Lindner betont dabei, dass vor allem die Stabilität im Euroraum durch einen Wahlerfolg von Le Pen leiden könnte. Schon Tage vor der letztendlichen Entscheidung wird das mögliche Ergebnis der Stichwahl Einfluss auf die Märkte und das Anlegerverhalten nehmen, prophezeit er. Wie stark sich der Ausgang der Präsidentenwahl in Frankreich letztlich tatsächlich auf Börse und Euro-Stabilität auswirkt, wird erst ab dem 24. April deutlich.
Das ist der Tag, an dem es zur Stichwahl zwischen dem pro-europäischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und Marine Le Pen kommen wird, nachdem die Herausforderin bei der ersten Wahlrunde 23,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte und Macron auf 27,8 Prozent kommt. Auch ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski erwartet definitiv starke Unruhe an Börse und Märkten aufgrund einer knappen Entscheidung bei der Stichwahl zwischen dem Amtsinhaber und der RN-Frontfrau. Sollte sich die Euro- und EU-Kritikerin Le Pen bei der Stichwahl durchsetzen, werden seiner Meinung nach die Auswirkungen einem gravierenden Einschnitt gleichkommen.
Allerdings standen sich die beiden politischen Kontrahenten bereits vor fünf Jahren in einer Stichwahl gegenüber. Die Umfragen zeichneten damals aber ein klares Bild von der Chancenlosigkeit Le Pens, was sich bei der Wahl dann auch bestätigte. Durch die eindeutigen Umfrageergebnisse und der letztendlichen sicheren Wahl Macrons zeigte sich der Euroraum und die Börsen zu keiner Zeit beeindruckt von den politischen Entwicklungen in Frankreich. Das könnte dieses Jahr anders aussehen. Denn Le Pen hat in den letzten Wochen merklich aufgeholt, sodass ein spannendes Rennen erwartet werden kann. Macron liegt in Umfragen bei 51 Prozent, dicht gefolgt von Le Pen, die 49 Prozent der Französinnen und Franzosen vorne sehen.
Auch wenn sich die Rechtspopulistin im Wahlkampf weitaus gemäßigter als erwartet präsentierte, wird sich die französische Haltung zur EU, zum Euro an sich und auch zur Nato merklich verändern. Zwar vermied Le Pen das von der RN in den letzten Monaten immer wieder forcierte Thema Frexit (steht für den EU-Abschied Frankreichs nach britischem Vorbild), dennoch erwarten Politikwissenschaftler und Wirtschaftsexperten viele europakritische Töne und auch Maßnahmen. Für Carsten Brzeski heißt das: eich schwächelnder Euro, französische Staatsanleihen mit höheren Renditen und Verluste an den Aktienmärkten.
Die Unsicherheit an den Finanzmärkten bezieht sich aber auch auf die kommende Haltung Frankreichs zum Ukraine-Krieg. Mit einer europakritischen Politik würde Le Pen die aktuelle Geschlossenheit von EU und Nato schwächen, zumal sie Sanktionen gegen Russland bislang strikt ablehnt. Schon der starke zweite Platz bei der ersten Wahlrunde belastet merklich die Finanzmärkte.
Gewinnt Le Pen tatsächlich jetzt die Stichwahl, würde das laut Vermögensverwalter Aegon zum einen das französische Wachstum mindern und gleichzeitig die Inflation erhöhen. Zum anderen sei mit einem Rückgang an den Börsen in Frankreich sowie auch Deutschland und anderen europäischen Ländern zu rechnen. Außerdem prognostizieren die Marktexperten von Aegon ebenfalls eine Schwächung des Euro und einen höheren Risikoaufschlag auf Staatsanleihen aus Frankreich.